Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist tief in unserer Kultur verwurzelt. Für jede historische Epoche finden sich Zeugnisse für sexuelle Gewalt gegen Kinder, für gesellschaftliche Strukturen, die sie begünstigen, aber auch für Auseinandersetzungen um Akzeptanz oder Bekämpfung dieser Praktiken. Juristische und moralische Normen, Machtverhältnisse und soziale Werte bilden einerseits den gesellschaftlichen Rahmen, in dem sexuelle Gewalt gegen Kinder entstehen kann, schaffen zugleich aber auch die Bedingungen dafür, diese Gewalt als solche zu erkennen. Was eine Gesellschaft zur Kenntnis nimmt (oder auch nicht), was überhaupt sagbar ist, welche Werte verteidigt und worum gestritten wird – all dies unterliegt historischem Wandel.
Die Beiträge dieses Bandes reichen von der Antike bis ins zwanzigste Jahrhundert und werfen Schlaglichter auf die historische Entwicklung eines gesellschaftlichen Phänomens, das nicht erst seit heute zu Auseinandersetzungen führt. Zu keiner Zeit – auch nicht in der in diesem Zusammenhang viel beschworenen Antike – wurde sexuelle Gewalt gegen Kinder einhellig gutgeheißen oder ignoriert, wenn auch die Gründe dafür oft ganz andere waren, als diejenigen, die unsere heutigen Debatten bestimmen.