Michel Foucault ist nach wie vor der Ausgangspunkt der Diskursdebatte in den Kultur- und Sozialwissenschaften. Immer wieder beklagt wurde jedoch die Unschärfe und methodisch-technische Begrenztheit seines ‚Werkzeugkastens‘. Die AutorInnen dieses Heftes problematisieren diese Defizite offensiv. Unter Diskursen werden dabei textuelle, diskursive und soziale Praktiken verstanden, die Aussagen zu einem bestimmten Thema systematisch organisieren und regulieren und damit die Möglichkeitsbedingungen des (von einer sozialen Gruppe in einem Zeitraum) Denk- und Sagbaren bestimmen. Bei der Diskursanalyse handelt sich jedoch nicht um eine bestimmte Methode, sondern um ein Forschungsprogramm, bei dem differente, wissenschaftlich ausgearbeitete Methoden und Verfahren eingesetzt werden können. Die AutorInnen widmen sich der weiteren Ausarbeitung und Integration der drei Diskursebenen und machen Vorschläge zur methodischen und untersuchungstechnischen Modellierung der diskursanalytischen Forschungspraxis. Mit ihren Überlegungen zu den textuellen, diskursiven und sozialen Praktiken problematisieren sie auch klassische Begriffspole der Kultur- und Sozialwissenschaften: Text/Kontext, Struktur/Handlung und Diskurs/Subjekt.
Aus dem Inhalt:
Reiner Keller: Wissen oder Sprache? Für eine wissensanalytische Profilierung der Diskursforschung
Peter Haslinger: Diskurs, Sprache, Zeit, Identität. Plädoyer für eine erweiterte Diskursgeschichte
Rüdiger Graf: Diskursanalyse und radikale Interpretation. Davidsonianische Überlegungen zu Grenzen und Transformationen historischer Diskurse
Andreas Frings / Johannes Marx: Wenn Diskurse baden gehen. Eine handlungstheoretische Fundierung der Diskursanalyse
Claudia Bruns: Wissen – Macht – Subjekt(e). Dimensionen historischer Diskursanalyse am Beispiel des Männerbunddiskurses im Wilhelminischen Kaiserreich
Markus Stauff: Mediengeschichte und Diskursanalyse. Methodologische Variationen und Konfliktlinien
Susanne Lettow: Endlich Ordnung in der Werkzeugkiste. Zum Potenzial der Foucaultschen Diskursanalyse. Bericht vom Workshop an der Freien Universität Berlin, 29.4.-30.4.2005
Astrid von Schlachta: Politische Kommunikation in Europa. Theorie und Praxis im Internationalen Graduiertenkolleg „Politische Kommunikation“