Es scheint selbstverständlich, dass es sich beim Konsumieren um eine vom Produzieren unterscheidbare Tätigkeit handelt und daher Konsument*in und Produzent*in konträre soziale Rollen einnehmen. Seit der Etablierung der bürgerlichen Gesellschafts- und Geschlechterordnung im 18./19. Jahrhundert sind zahlreiche Bemühungen zu beobachten, eine Sphäre der (männlichen) Produktion und Erwerbsarbeit von der des (weiblichen) Konsums und der Hausarbeit zu trennen. Als Mittler fungiert der Markt: Wer für die Anfertigung einer Ware bezahlt wird, produziert, wer am Markt für diese bezahlt, konsumiert.
Wo aber berühren bzw. überlappen sich Sphären, Netzwerke und Logiken der Produktion und des Konsums? Welche ergänzenden und alternativen Möglichkeiten des Herstellens, Ge- und Verbrauchens von Dingen finden sich in Geschichte und Gegenwart? So liegt etwa das „Selbermachen“, das Do-it-yourself quer zur Trennung von Produktion und Konsum. Neben dem Markt und damit dem Konsumieren kennen auch moderne Gesellschaften u.a. staatliche, genossenschaftliche und gemeinschaftliche Versorgungsweisen. Sozialwissenschaften und Marketingforschung beobachten eine wachsende Tendenz von Unternehmen, Konsument*innen an der Herstellung (mit-)‚arbeiten‘ zu lassen und sie für Entwicklung, Produktion und Distribution als Prosumer*innen zu aktivieren. Solchen Veränderungen sowie der Frage ihrer Bewertung und historischen Einordnung widmet sich der vorliegende ÖZG-Band.
Inhalt
editorial
produzieren/konsumieren – prosumieren/konduzieren
Reinhild Kreis
„Man nehme …“. Haushaltsproduktion als Prosumption und als Markt in der deutschen Konsumgesellschaft des 20. Jahrhunderts
Jonathan Voges
Der Prosumer als Kunde. Bau- und Heimwerkermärkte als Anbieter von „Problemlösungen“
Gerulf Hirt
Vom Luxus zum Risiko: Produktions- und Konsumtionssphären der Zigarette in (West-)Deutschland
Georg Stöger
Zwischen Konsumieren und Produzieren: Dinge und ihre Nutzer*innen im 18. Jahrhundert
Aris Kafantogias
Between the Visible and the Invisible, the Practical and the Ornamental: The Body Linen of the Viennese, 1760–1823
Open Space
Mario Keller
Die Emotionalisierung regionaler/nationaler Marken im TV-Werbespot. Eine exemplarische Analyse der „Anker-Länderbackstuben“ (1996) 5975_Keller
Stefan F. Ossmann
Polyamorie in der deutschsprachigen Presse 2007–2017. Eine medienanalytische Untersuchung zu einem sich etablierenden Beziehungsmodell