In diesem Band der Reihe „Österreich – Zweite Republik“ analysiert der Zeithistoriker Oliver Rathkolb die Rolle des staatlichen Österreichs und der Österreicherinnen und Österreicher als „Opfer“ des Nationalsozialismus. Viele nahmen sich in ihrem Selbstverständnis als Opfer des NS-Regimes wahr und blendeten gleichzeitig die Akzeptanz des Nationalsozialismus und die Kollaborationen mit dem menschenverachtenden NS-Terrorregime aus. Die eigentlichen Opfer – vor allem Jüdinnen und Juden – wurden in der öffentlichen Erinnerung an den Rand gedrängt. Diese mangelnde Übereinstimmung mit der gesellschaftlichen Realität und mit dem konkreten Verhalten vieler Österreicherinnen und Österreicher während der NS-Zeit sollte von Anfang an die Basis für „die“ zentrale Staatsdoktrin der Nachkriegszeit bilden. Dadurch wurden aber auch die kulturellen und politischen Anschluss-an-Deutschland-Vorstellungen beendet. Denn Täternation waren aus dieser Opferperspektive primär die „Preußen“, alle „Reichsdeutschen“ vor 1938, aber auch die vertriebenen „Volksdeutschen“ (mit Ausnahme der „Altösterreicher“).