Seit dem Haid-Lesebuch 1984 ist vieles passiert. Unverändert jedoch die Hassliebe, die Abrechnung, die Resignation, die Leidenschaft, das Tal, die Berge, die Kulte, die Zerstörung, die Apokalypse, die Saligen, die Dana und die Disen, die Langtüttin und unaufhaltsam der Zerfall, die Klage, das Abschiednehmen.
Im Lesebuch II berichte ich von denkwürdigen neun Toten durch einen Betonkübel; über pervertierten Tourismus im Hörspiel „Mit Tränen füllt man keine Betten“; von den sagenhaft guten Krapfen „vö Naalan und Mammen“, von Großmutter und Mutter. Rettet unsere Bergwässer und den Adler. Wo ist die „Alpenpoesie“ geblieben? Warum hätten uns die Gurgler „Alpentöne“ mit Gerlinde und der jährliche Zug der 6.000 Schafe über die Ferner und die Suche nach den geheimen Verheißungen einer glückseligen Zeit beinahe retten können?
Die letzten Reste von Heimatpoesie verschwinden in den dreckgefüllten Gletscherspalten. Ganz weit droben und zuhinterst drinnen wird das Finale eingeläutet. Suff und Geld. Die Lawine obendrauf, die Leena, die Langtüttin, das „Schnalser Mieterle“, die Madonna, meine „Landgeherin“ Rusilena mitsamt der Geierwally. Die Verkündigung aus dem Eis heraus? Werden wir es noch weitere 20 oder 30 Jahre überleben können? Haben sie dann den Ötzi mitsamt diesem „Haid“ heiliggesprochen? Wer wird dann noch am Leben sein?
Mein Lesebuch II – ein Abschiednehmen, ein Wutausbruch, ein Verzweiflungsschrei, eine letzte Bergpredigt? Ich weiß es nicht.