Das kulturwissenschaftliche Jahrbuch Moderne versteht sich als Publikationsorgan interdisziplinärer Forschungsarbeiten zu Phänomenen der akzelerierten Modernisierung und ihrer gesellschaftlichen beziehungsweise kulturellen Auswirkungen. Grundlegende Koordinaten bilden Fragen der Moderne(n) sowie der interdisziplinäre und/oder transkulturelle Zugang zum jeweiligen Themenschwerpunkt.
Diskurse der Überalterung der Gesellschaft („Methusalemgesellschaft“) prägen derzeit die modernen, im so genannten zweiten demographischen Übergang befindlichen Gesellschaften. Diesen häufig an einem Defizitmodell des Alters orientierten Diskursen stehen jene gegenüber, die unter dem Schlagwort der „neuen Alten“ die sozio-politischen Gestaltungs- und Partizipationsmöglichkeiten betagter Menschen angesichts ihres steigenden Bevölkerungsanteils betonen. Kulturwissenschaftlichen Ansätzen kommt in diesem Diskursgeflecht u.a. die Aufgabe zu, einer Essenzialisierung des Alters entgegenzuwirken und dabei auch selbstreflektiv die Implikationen und Grenzen einer konstruktivistischen Perspektive auf das „Alter“ zu beleuchten.
Die Beiträge des Jahrbuchs 2010/11 setzen sich kritisch mit Konzepten des „Alters“ und des „Alterns“ auseinander, wobei das Potenzial zur Bereicherung der Debatte durch kulturwissenschaftliche Theorien und Konzepte (etwa diskursanalytische Ansätze oder Theorien der Performanz) ausgelotet wird.
Aus dem Inhalt:
Rebecca Niederhauser (Zürich): „Ich bin alt. Aber ich fühle mich nicht so.“ Das Altersdispositiv oder der alltägliche Umgang mit dem neuen Alter
Melanie Hühn (Leipzig): Die Konstruktion des transkulturellen Raumes durch Altersmigration
Sarah Vanessa Losego (Bern): Soziale Netzwerke und Altenpflege. (Trans-)nationale Unterstützungspraktiken von Migrantenfamilien in der Schweiz. Ein Forschungsüberblick
Klaus R. Schroeter (Kiel), Harm-Peer Zimmermann (Marburg): Doing Age on Local Stage. Ein Beitrag zur Gouvernementalität alternder Körper heute
Ulrike Manz (Frankfurt am Main): „Als älterer Mensch, da gehört das dazu.“ Altersbilder in den Körperkonzepten chronisch Kranker
Roberta Maierhofer (Graz): Das Leben als narrativer Akt: Altern als Erzählen
Saskia-Fee Bender (Frankfurt am Main): Körper- und Attraktivitätsnormierungen von Alter(n) und Geschlecht
Anna Richter (Jena): Age matters! Intersectionality too!
Charlotte Christina Fink (Graz): Weiblich, ledig, 40+ sucht oder sucht nicht. Zur filmischen Darstellung der „mannlosen“ Frau im mittleren Alter
Helga Pelizäus-Hoffmeister (München): Wechselbeziehungen zwischen Lebensalter und Modernisierung
Theo Jung (Freiburg i. Br.): Das Neue der Neuzeit ist ihre Zeit: Reinhart Kosellecks Theorie der Verzeitlichung und ihre Kritiker