Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften Jg. 27, Heft 1, 2016

Apropos Rancière

die welt der stummen zeugen. jacques rancière und die geschichtswissenschaft

Jacques Rancière ist ohne Zweifel zum gegenwärtigen Zeitpunkt einer der bedeutendsten französischen Intellektuellen und wird in einer atemberaubenden Weise über die akademischen Gräben hinweg rezipiert. Vor allem in der Philosophie, der Politischen Theorie, den Künsten, der Literaturwissenschaft, sowie den Theater-, Film und Medienwissenschaften ist die Rezeption seiner Arbeiten deutlich erkennbar. Ein bedeutender Bereich seiner vor allem frühen Arbeit ist allerdings auffällig unterrepräsentiert, nämlich seine Auseinandersetzung mit der Geschichte bzw. die Rezeption, die seine Arbeit innerhalb der Zunft der Geschichtswissenschaft erfuhr. Dies ist insofern verwunderlich, als Rancière seine frühen Studien explizit als historische Nachforschungen angelegt hatte. Sie befassten sich vor allem mit der französischen Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts, insbesondere der Zeit zwischen der Juli-Revolution 1830 und der Niederschlagung der Pariser Commune 1871. Seine Beschäftigung mit den Archiven der Arbeiterbewegung führte Rancière zunehmend zu einer grundsätzlichen und theoretischen Kritik an der Geschichtswissenschaft als einem Diskurs, der sich weniger für die Widersprüche und das Singuläre als vielmehr für die großen Zusammenhänge und die Kontinuität der historiographischen Narration zu begeistern weiß. Trotz anfänglichen Lobs wendet Rancière seine Kritik besonders gegen die Annales-Schule und ihre Forschungsstrategie, da sie mittels Statistik, Demographie etc. über die konkreten Individuen hinweg springe. Abseits davon kennzeichnet den Diskurs der Geschichtswissenschaft eine unausgesprochene Hierarchie, die bestimmten Subjekten der Geschichte mehr Gehör zu verleihen gewillt ist als anderen. Es handelt sich, genauer gesagt, also um einen Diskurs, der den Königen und Monarchen mehr Sprechrechte erteilt als der erdrückend großen stummen Masse. Darin kommt eine äußerst politische Entscheidung des/der Historiker/in zum Ausdruck, die im Vorhinein festlegt, welche Menschen es wert sind, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken, und welchen nicht. In jeder historischen Studie ist demzufolge ebenso viel Aufschluss über die politische Hierarchie und Eigenlogik des/der Historiker/in und seiner/ihrer Zeit zu gewinnen wie über den Gegenstand der Studie selbst. Dabei erweist sich Rancière jedoch keineswegs als historischer Relativist, da er bei aller Kritik stets den Wahrheitsbezug aufrecht erhält bzw. fordert zu überprüfen, unter welchen Bedingungen der historische Diskurs in der Lage sei, "eine Wahrheit zu berühren"2. In ähnlicher Stoßrichtung wie Hayden White3, aber letztlich auf ganz verschiedene Weise interessiert sich Rancière für die Art der Literatur, welche von der Geschichtswissenschaft produziert wird. Für ihn stehen nicht die Arten der Narration im Zentrum; es geht ihm also nicht um eine minutiöse Narratologie der Geschichtswissenschaft im Sinne White’s, sondern er nimmt vielmehr die Formen der "Politik"4 in den Blick und weist sie als eine Logik auf, die der Aufteilung der Materie inhärent ist. Er betreibt somit eine minutiöse Politologie der Geschichtswissenschaft. Die damals so provokative Forschungsfrage Hayden White’s stellt sich daher für Rancière in neuem und politischem Licht: "Die Frage ist allerdings nicht, ob der Historiker Literatur machen soll oder nicht, sondern welche er macht."5 Durch welche Form der Erzählung lässt der/die Historiker/in gewisse Subjekte, Gegenstände, Zeiten, Momente etc. auf die Bühne der Geschichtswissenschaft hervortreten; und durch welche Form der Erzählung lässt er ebendiese verschwinden, verstummen und in Vergessenheit geraten. Rancière interessiert sich dabei weniger, man wird es geahnt haben, für die so redseligen Könige und Monarchen – eine Geschichtsschreibung, die er übrigens äußerst provokativ als "monarcho-empiristisch"6 bezeichnet. Vielmehr sind für ihn jene Individuen von Belang, die von der klassischen Geschichtsschreibung eher durch ihre Handlungen, als durch ihren bewussten geistigen und sprechenden Bezug zur Geschichte, kurzum durch ihre Wörter, bewertet werden. Unterhalb der hellen, gut dokumentierten historischen Wirkungsfläche der Könige und Regenten pocht ein Universum an Subjekten von Armen, Handwerkern und unzähligen weiteren Individuen eines anonymen Volkes auf ihr Recht an historischer Sichtbarkeit. Für den/die Historiker/in des Archivs gilt es daher, die zischende Gischt der Meeresoberfläche zu durchdringen und sich dem darunter liegenden Dunkel hinzugeben. Es gilt gerade nach dem Ausschau zu halten, was sich dem Narrativ nicht fügt, was der Kontinuität der Entwicklung zuwider läuft, was durch die royalen Depeschen und Dokumente in den Hintergrund gedrängt wurde. Rancière als jenem Denker der Gleichheit und Verteidiger eines emphatischen Demokratieverständnisses geht es also darum, eine fundamentale Gleichheit unter den Forschungsgegenständen herzustellen, weil, wie auch Paul Veyne hervorhebt, jedes historische Subjekt und jeder historische Gegenstand dem anderen hinsichtlich seiner Wertigkeit gleicht.7 Programmatisch formuliert Rancière: "Die Welt der stummen Zeugen, die der Historiker einer Bedeutung ohne Lügen zuführt – genau das wird die Historie unseres Jahrhunderts als ihre Domäne einfordern."8

Die nachfolgenden Ausführungen haben zum Ziel, die bisher wenig bekannte Auseinandersetzung Rancières mit der Geschichtswissenschaft anhand dreier markanter Wegstationen seiner Arbeit abzustecken, um damit dem/der Leser/in den Einstieg in diesen Band zu erleichtern: die Zeitschrift Les Révoltes logiques9 von 1975 bis 1981, La nuit des prolétaires 1981 (dt. Die Nacht der Proletarier10, 2013) und Les noms de l’histoire 1992 (dt. Die Namen der Geschichte, 1994).
Die Zeitschrift Les Révoltes Logiques ist den Gedanken eines Kollektivs entsprungen, das sich lose um ein Seminar Jacques Rancières über die Geschichte der Arbeiterbewegung organisierte. Die Gruppe verstand sich als nicht-hierarchisch und wuchs rasch zu einer größeren Gruppe von Forscher/innen an, die am "Centre de Recherches sur les Idéologies de la Révolte" am Campus von Vincennes der Universität Paris (Paris VIII) institutionell verankert war. Die Zeitschrift brachte es in den Jahren 1975 bis 1981 auf insgesamt fünfzehn Ausgaben und ein Sonderheft zum zehnjährigen Jubiläum des Mai 68. Die Aufgabenstellung der Zeitschrift war von Anfang an recht klar und durch ein Manifest des Kollektivs programmatisch umrissen. Es sollte darum gehen, den Ort der Revolte, der durch die Mainstream-Arbeitergeschichte eher verschüttet als freigelegt wurde, noch einmal zu betreten. Der herkömmlichen Arbeitergeschichte von oben sollte ein "Denken von unten"11 (frz. "la pensée d’en bas") entgegengesetzt werden. In einem Interview mit dem Kollektiv der Révoltes Logiques zur Zeit der letzten Ausgabe 1981 wurde die Zeitschrift explizit als Versuch einer "Gegengeschichte"12 (frz. "contre-histoire") benannt. Das Projekt wollte den gängigen Duktus der Mainstream-Geschichte einer kritischen Relektüre unterziehen. Es ging darum – ich zitiere synoptisch – "eine neue abtrünnige historische Praxis" zu kultivieren, die im Stande sein sollte, den "Sprachlosen eine Stimme zu verleihen". Es gelte, gerade die "Domäne der Experten" der jeweiligen Historiographie in Frage zu stellen und diesen revolutionären Impetus durch die Zeitschrift hindurch am Leben zu erhalten und voranzutreiben. Obgleich zu diesem Zeitpunkt schon spätere Berufshistoriker/innen wie Arlette Farge und Geneviève Fraisse an der Zeitschrift beteiligt waren, legte dennoch schon das Manifest klar, dass sich das Projekt an den Rändern der gängigen akademischen historischen Forschung bewegen wollte und zugleich auch keine Anerkennung durch die übliche Geschichtsschreibung anstrebte. Es war vielmehr ein Versuch, den Schwung des Mai 68 und dessen Inhalte nicht ausklingen zu lassen, sondern die "Revolte zu rationalisieren"13 (frz. "la ,rationalisation‘ d’une révolte") und den Kampf in der konkreten Forschung weiterzuführen. Der Titel der Zeitschrift selbst leitet sich von dem Gedicht "Démocratie" Arthur Rimbauds her, der darin kurz nach der Niederschlagung der Pariser Commune 1871 vom Niedermetzeln der "vernünftigen Empörungen" des Volkes spricht. Das Gedicht wurde auf dem Umschlag der Zeitschrift abgedruckt.
Es sprach aus, worum es dem Kollektiv, aber auch Jacques Rancière, im Verlauf der weiteren Arbeiten gehen würde. Die Gruppe wollte die Revolte nicht als einen unkontrollierten chaotischen Ausbruch einer wildgewordenen Meute unzufriedener Arbeiter verstehen, sondern als rational und artikuliert, und zwar gerade durch Menschen, denen die vernünftige Empörung üblicherweise nicht zugestanden wurde. Es waren dies Arbeiter/innen, von denen man nicht annimmt, dass sie im Besitz dieser vernünftigen Sprache wären, bzw. denen man die Teilnahme am vernünftigen Diskurs abspricht. Jacques Rancières spielte in dem Kollektiv eine tragende Rolle, da sich das Netzwerk von Forscher/innen um ihn und einige andere Kommilitonen herum gruppierte. Abgesehen davon war es auch für Rancières Entwicklung zentral, weil aus den vielen kollektiven Recherchen seine Dissertation hervorging. Diese sollte sich vor allem durch ein Charakteristikum deutlich von den Arbeiten an der Zeitschrift unterscheiden: die fehlende Homogenität der Stimme des Volkes.
La nuit des prolétaires (1981; dt. Die Nacht der Proletarier, 2013) ist ein umfassendes Buchprojekt, das in langjähriger Archivrecherche entstand und zunächst den Duktus der Révoltes Logiques weiterzuführen scheint. Rancière hatte sich im Zuge der Recherchen für die Zeitschrift in den Tiefen der Arbeiterarchive mit der Intention vergraben, in seiner Dissertation den unverfälschten Ausdruck der Revolte nachzuzeichnen. Das hierbei entdeckte Archivmaterial nötigte ihn jedoch zur Kurskorrektur. Rancière entdeckte Arbeiter verschiedenster Profession – Schmiede, Schneider, Schuster, Schriftsetzer etc. -, die ihre arbeitsreichen Tage in die Nächte verlängerten, um zu diskutieren, zu philosophieren, kurzlebige Zeitschriften zu gründen, den Volksunterweisungen der Saint-Simonisten zuzuhören und in allerlei Art und Weise ihre eigene Position zu reflektieren. Er entdeckte Arbeiter, die ihrem Bild und Begriff trotzten und gerade das in Anspruch nahmen, was ihnen nicht zustand bzw. zugestanden wurde. Anstatt nur Arbeiter zu sein und dem Bild des Arbeiters zu genügen, lebten sie auf einmal zwei Leben in einem. Diese Arbeiter faszinieren Rancière gerade deswegen, weil sie selbst und ohne Vermittlung die sicher geglaubte Ordnung durch ihre Taten und Handlungen ins Wanken bringen. So schreibt Rancière in der Einleitung zu seiner umfangreichen Studie:

"Das Thema des Buches ist zunächst die Geschichte dieser Nächte, die der normalen Abfolge von Arbeit und Erholung entrissen wurden. Eine kaum wahrnehmbare Unterbrechung des normalen Ganges der Dinge, scheinbar harmlos, in der das Unmögliche sich vorbereitet, träumt, bereits lebt: die Aufhebung der überlieferten Hierarchie der Unterordnung der Handarbeiter unter diejenigen, die das Privileg des Denkens besitzen."14

Das Objekt der Untersuchung gewinnt durch die vielen Dokumente auf einmal redseligen Charakter. Anstatt dass man die Arbeiter erst mühsam zum Sprechen bringen müsste (etwa durch die historische Aufbereitung mittels Geburtsurkunden, Arbeits- und Polizeidokumenten etc.), beginnen sie auf einmal selbst zu sprechen: durch Gedichte, Briefe, Tagebücher, Proklamationen etc. Das überbordende Material zwingt Rancière zu einer Änderung der Strategie. Er lässt die Arbeiter/innen anhand ihrer eigenen Dokumente sprechen, enthält sich der erklärenden und kontextualisierenden Distanz des Historikers. Die Arbeiter/innen werden so zu ihren eigenen "Gegenmythen". Rancière schreibt hierzu:

"Die hier präsentierten Arbeitererzählungen sind in gewissem Sinne Gegenmythen, Erzählungen, die diese natürlichen Unterschiede verwischen. Darum war es mir wichtig, dieses Gewebe von Worten in seiner Kontinuität aufzurollen, in dem die Erzählung, die Träumerei, die Fiktion und die Argumentation Teil derselben Arbeit sind, die Ordnung der Dinge umzustürzen, die Individuen, Klassen und Diskursen ihren Platz zuweist."15

Anstatt nur die unverfälschte Stimme der Arbeiter zum Ausdruck zu bringen, erweitert sich das Projekt von La nuit des prolétaires auf einmal maßgeblich. Es stellt über die rein historiographische Darstellung die Frage, mit welchen Konsequenzen man zu rechnen hat, "wenn die, welche nicht die Zeit haben, etwas anderes als ihre Arbeit zu machen, sich die Zeit nehmen, die sie nicht haben, um zu beweisen, dass sie sehr wohl sprechende Wesen sind, dass sie an der gemeinsamen Welt teilhaben",16 kurzum: wenn gerade jene durch ihr Sprechen zu historischen Individuen werden, die bisher durch ihr Stumm-Sein keine historischen Individuen waren oder gar keine sein sollten. Rancière geht mit dieser Strategie freilich auf Kriegskurs mit den etablierten Regeln und Methoden der Historiographie. Er verzichtet auf eine umfassende Kontextualisierung der Arbeiter/innen; auch verzichtet er auf die Beantwortung der Frage, ob diese Arbeiter/innen als repräsentativ für die Arbeiterbewegung angesehen werden können. Wesentlich ist vielmehr das Faktum, dass es diese Arbeiter/innen gegeben hat. Das reicht aus, um ihre Gegengeschichte zu erzählen. Wesentlich ist für Rancière somit weniger die Kontinuität der Individuen innerhalb der Klasse als vielmehr der entscheidende Unterschied bzw. Widerspruch innerhalb der Klasse. Auf diese Weise fragmentarisiert sich die vermeintlich homogene Klasse des Arbeiterproletariats in individuelle Lebens- und Erfahrungswelten, die sich der vorgeschobenen Identität widersetzen und gerade auf diese Weise zu Individuen mit Namen und individuellem Relationssystem werden.
Mit Les noms de l’histoire (1992; dt. Die Namen der Geschichte, 1994) kehrt Rancière zwar wieder zum Gegenstand der Geschichtsschreibung zurück, doch trotz inhaltlicher Kontinuität unterscheidet sich diese Studie gänzlich von den vorherigen Untersuchungen. Der sehr kompakte und komplexe Essay bündelt theoretisch, was Rancière zuvor anhand eines großen Repertoires an Archivdokumenten sprechen ließ. Er spürt in diesem abermals aus einem Seminar hervorgegangenen Essay der Frage nach, wie die Historiographie mit genau jenen Stimmen verfahren ist, die, wie zuvor gesehen, sprechen könnten, aber die der/die Historiker/in zumeist nicht zum Sprechen bringt. Rancière legt dar, dass der Großteil der klassisch vorgehenden Historiographie in eine folgenreiche "hermeneutische Unterdrückung"17 der breiten Masse bzw. der darin enthaltenen konkreten Subjekte führt. Diese hermeneutische Unterdrückung kommt vor allem durch zwei Momente zustande: Zum einen orientierte sich die traditionelle Geschichtswissenschaft hauptsächlich an Dokumenten und diplomatischen Beziehungen der regierenden Schicht. Insofern sie sich an diesen Dokumenten ausrichtete, schrieb sie, ohne dies explizit anzustreben, eine Geschichte der Unterdrückung fort, die nur einer bestimmten Klasse von historischen Subjekten zu einer bewussten Stimme verhilft. Die im Dunkel der Dokumente versinkende große Masse an Menschen tritt dabei vor den königlichen Leben ihrer Regent/innen zurück und findet nur indirekte, ‚stumme‘ Erwähnung. Zum anderen entsteht diese hermeneutische Unterdrückung durch die Wissenschaftlichkeit der Geschichtswissenschaft selbst. Was als Fortschritt der Geisteswissenschaften und somit zugleich als Wissenschaftlichkeit der Geschichtswissenschaft gefeiert wurde – d.i. die exakten Darstellungen durch Demographie, Statistik etc. -, besiegelte auch zugleich deren Fluch. Die große Masse findet vielleicht Erwähnung, dankt jedoch anonym unter großflächigen Strukturen und Statistiken ab (,longue durée‘). Obgleich Rancière die Annales-Schule für ihren Versuch zu loben scheint, sich nicht mehr an der königlich-diplomatischen Geschichtsschreibung zu orientieren, so besiegelt seiner Einschätzung zufolge die Art und Weise ihrer Besprechung jedoch eine endgültige Verstummung der Massen. Zugleich zieht die Geschichtswissenschaft durch die neue Wissenschaftlichkeit ihrer Methoden in einen unheilvollen Dialog mit sich selbst ein, der weitere Ausschlussmechanismen impliziert und die Geschichtswissenschaft letztlich dazu zwingt, sich selbst immer wieder ihre eigene Wissenschaftlichkeit zu beweisen. Rancière vertritt demgegenüber die Auffassung, dass "man sich nicht so sehr darum kümmern sollte, ob das, was man macht, Wissenschaft ist, sondern ob es imstande ist, eine Wahrheit zu berühren."18 Im Durchgang durch Jules Michelets Histoire de la Révolution française und François Furets Penser la Révolution française zeigt Rancière auf, wie verschiedene Darstellungen der Französischen Revolution die sprechenden Subjekte einsetzen oder gar verstummen lassen, inwiefern sie als bewusste Akteure der Geschichte eingesetzt werden, die die Kraftlinien ihrer eigenen historischen Situation erfassen können oder nicht. All diese Kämpfe finden Rancière zufolge in der historiographischen Literatur selbst statt. Wie schon zu Beginn bemerkt, ist nicht die Frage entscheidend, ob, sondern welche Literatur der/die Historiker/in macht. Insofern sich die Literatur als unumgängliches Medium aller Historiographie herausstellt, handelt es sich innerhalb der Historiographie folglich um "Kriege der Schrift",19 Kriege um den legitimen Gebrauch und die legitime Interpretation der Schrift. Es handelt sich um die Gefolgschaft gegenüber diesen Autoritäten und Praktiken, die den "rechtmäßigen" Gebrauch der Wörter regulieren. Vor diesem Hintergrund nennt Rancière eine Geschichtsschreibung, die sich diesen Regularien nicht unterwerfen will, eine "häretische Historie".20 Die häretische Historie ist in zweierlei Hinsicht ketzerisch: Zum einen verweigert sie dem/der Historiker/in die Deutungsmacht über die behandelten historischen Ereignisse. Sie möchte vielmehr jenen die Deutungsmacht zukommen lassen, die das konkrete Material der Geschichte ausmachen. Es sollen also jene Subjekte der Geschichte selbst zur Sprache kommen, von denen die Geschichte erzählt wird. Der/die Historiker/in dürfe sich nicht zum Bauchredner der historischen Subjekte machen und sie in seiner/ihrer Paraphrase und Deutung zum Verstummen zu bringen. Zum Anderen verweigert sich die häretische Historie der Gefolgschaft des historischen Korpus, weil sich dieser einer Logik der Zeit als Kontinuum schuldig macht und insofern die revolutionäre Kraft des Anachronismus im Kontext erstickt. Sie erklärt die jeweiligen Geschichten aus dem Diskurs der Geschichtswissenschaft, die sich auf die arbiträre Richtigkeit der legitimierten historiographischen Darstellungen stützen. Strukturell kann sie keine Geschichte zulassen, die sich dem arbiträren Gefüge widersetzt. Vor diesem Hintergrund erlaubt sich Rancière die äußerst provokante These, dass sich gerade "die gelehrte Historie als der Nicht-Ort der Geschichte" herausstelle.21 Rancière hingegen interessiert sich in seinen Arbeiten für das, was sich gerade aus dieser Kontinuität der Ereignisse nicht herleiten lässt – das "Wortereignis": "Mit Wortereignis bezeichne ich die Ergreifung der sprechenden Körper durch die Wörter, die sie ihrem Platz entreißen, die eben jene Ordnung umstürzen, die die Körper an ihren Platz verwies".22 Dieses Wortereignis kommt dann zustande, wenn jene die Stimme ergreifen, denen die Stimme nicht zugesprochen wurde. Im Rückgang auf Hobbes zeigt Rancière, dass es für einen Regenten nichts Gefährlicheres gibt als das unauthorisierte Wort, das jeder aufgreifen und sprechen kann. Die Häresie betrifft somit den Gehorsam gegenüber den historischen Figuren, die gerade der "Exzeß der Wörter"23 unterbricht. Es ist aber auch jener Exzess der Wörter, welchen der/die Historiker/in zu fürchten hat, denn:

 "Wie kann man es dann vermeiden, dass sie [die Wissenschaft; C.S.] von ihrem Objekt widerlegt wird? Der Historiker hat in gewisser Weise Angst vor seinem Objekt, vor dem sprechenden Wesen, weil dieses Wesen, dieses Objekt sich eben der Wissenschaft zu entziehen scheint, und ihn auf die Seite des Unwissenschaftlichen zieht."24

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Der vorliegende Band ist aus einer Konferenz hervorgegangen, die Siegfried Mattl und ich am 28./29. November 2014 am IFK (Institut für Kulturwissenschaften) organisiert haben. Der erste Tag bestand aus Vorträgen von Expert/innen des Rancière’schen Werks, die dann mittels Respondenzen von Fachhistoriker/innen kommentiert wurden. Auf diese Weise wollten wir testen, was aus Rancières Gedanken zur Geschichte seitens der Historiker/innen zu gewinnen ist. Der zweite Tag bestand aus einem Seminar in offener Diskussion, in der uns Jacques Rancière bei allen Fragen geduldig und zuvorkommend zur Antwort bereit stand. Der vorliegende Band sollte diese Idee aufnehmen und jenes ursprüngliche Konzept so gut wie möglich in ein kohärentes Buchprojekt umsetzen. Die Beiträge dieses Bandes sollten die vielen Fachbereiche von Jacques Rancières Arbeiten abdecken und aus historischer Perspektive kritisch auf ihre Tragfähigkeit hin prüfen. Insofern war es uns wichtig, dass v.a. die Bereiche der Politischen Theorie, der Ästhetik, der Philosophie und zuletzt auch der Literaturtheorie zur Sprache kommen. Den Kreis der Beiträge und Respondenzen haben wir dabei im Ausgang der Konferenz erweitert, außerdem zwei sehr interessante Beiträge von Arlette Farge zur Bedeutung Jacques Rancières in der Geschichtswissenschaft ergänzt. Den Band komplettiert ein Interview, das ich mit Rancière geführt habe und in welchem er aus seiner eigenen Retrospektive einige Klarheit in das Verhältnis seines Werkes zur Geschichtswissenschaft zu bringen vermag.
Ruth Sonderegger vertritt in ihrem Aufsatz die These, dass Rancière weniger als Historiker denn als Zeuge bzw. Bezeugender der Gleichheit zu verstehen sei. Sonderegger hebt vor allem die sehr frühe Arbeit Rancières im Collectif Les révoltes logiques hervor und untersucht, wie diese mit der Stoßrichtung der Subaltern studies in Verbindung zu setzen wäre. Diese Verbindung wird gerade an der Frage des emanzipierenden Sprechens deutlich. Rancière und Spivak kommen hier zu unterschiedlichen Einschätzungen. Während Rancière auf der prinzipiellen Möglichkeit des emanzipierenden Sprechens beharrt, weist Spivak auf Situationen hin, in denen selbst der emanzipierende Akt nicht zur Emanzipation führt. Gabriella Hauch geht in ihrer Respondenz auf die durch Ruth Sonderegger aufgeworfene Frage ein, inwiefern sich Rànciere als Historiker begreifen lässt. Um sie zu beantworten, setzt Hauch die Nacht der Proletarier in systematische Beziehung zu den zur Zeit der Veröffentlichung vorherrschenden Trends in der Geschichtswissenschaft. Mit besonderem Fokus auf die österreichische Forschungslandschaft zeigt Hauch, dass sich Rancière zwar nicht verspätet hatte, aber durchaus dem Zeitgeist der Forschung der 1970er Jahre folgte.
Oliver Marchart vertritt in seinem Beitrag die These, dass Rancières Namen der Geschichte weniger ein geschichtswissenschaftliches, sondern in letzter Instanz vielmehr ein politisches Unterfangen sei. Rancière gehe es um die Namensgebung und deren Legitimität. Dies sei per se eine politische Frage und weniger eine geschichtswissenschaftliche. Diese These verfolgt Marchart im Durchgang durch Laclau, Agamben und Brossat – Autoren, in deren Werk die Unterscheidung zwischen dem Begriff und dem Namen bzw. jenem, was außerhalb dessen liegt, eine bedeutende Rolle spielt. Drehli Robnik kommt auf Oliver Marchart insofern zu sprechen, als er streiflichtartig von Rancières Texten über Film zu dessen Politikkonzept zurückkehrt. Robnik vermutet gerade in diesen Texten ein Gegenmittel gegen die zuweilen zu starke Ästhetisierung und Anthropologisierung der Politik.
Reinhard Sieder leistet in seinem Beitrag eine umfassende historische Kontextualisierung von Rancières Überlegungen innerhalb der theoretischen Entwicklung der Geschichtswissenschaft. Er kritisiert, dass sich Rancières schablonenhafte Unterteilung von "alter" und "neuer" Geschichte so nicht halten lasse. In Verteidigung der neuen Geschichte plädiert Sieder dafür, die multiplen geschichtswissenschaftlichen Formen der Erklärung zu respektieren. Rancières Vorwürfe der Überkontextualisierung und Blindheit gegenüber dem Ereignis seien vor dem Hintergrund einer komplexen Entwicklungsgeschichte der Geschichtswissenschaft in Frage zu stellen. Christian Sternad argumentiert in seiner Respondenz, dass es zur historiographie-theoretischen Kontextualisierung von Rancières Werk unabdingbar sei, dessen Thesen vor dem Hintergrund eines umfassenden Literaturbegriffes zu verstehen. In dieser Hinsicht erweisen sich Rancières Beiträge zur Geschichtswissenschaft weniger als von genuin historischer als von politischer Natur.
Georg Kö widmet sich in seinem Beitrag der Fotographie von Hiroshi Sugimoto und führt dessen Versuch, die Moderne mittels einer Fotographie der Unschärfe in den Blick zu bringen, mit Rancières Theorie des "ästhetischen Regimes" zusammen. Dabei überprüft Kö, inwiefern Rancières Theorien zur Ästhetik erlauben, die Geschichtlichkeit des Mediums (Foto, Bild, Film etc.) bzw. das Medium selbst als Geschichte zu denken. In weiterer Folge geht er der Frage nach, inwiefern ein Medium selbst als analytisches Werkzeug für die Geschichtswissenschaft nutzbar gemacht werden kann. In letzter Instanz münden die Überlegungen in eine Analyse des Verhältnisses von Kunst und Technik. Karin Harasser antwortet auf Georg Kös "Freiheit der Gleichgültigkeit", indem sie den Beispielen, die er verwendet, drei weitere Momente aus Athanasius Kirchners Musurgia Universalis von 1650 gegenüberstellt, die Rancières Verschränkung zwischen Politischem und Ästhetischen noch einmal anders verstehbar werden lassen.
Sandra Lehmann konzentriert sich auf die Frage historischer Subjektivierung im Rückgriff auf Benjamin, Rancière und Milbank. Obgleich sie in Rancière die Form der dynamischen Subjektivierung schätzt, wendet sie gegen Rancière ein, dass hier die Subjektivierung dennoch innerhalb eines unklaren Rahmens der Gesellschaft verbleibt. Lehmann richtet in der Folge ihren Blick auf eine Form der Subjektivierung, die sie im Rückgriff auf ihr eben veröffentlichtes Buch die "metaphysische Bewegung"25 nennt. Darunter versteht sie eine Bewegung, die eine absolute Potenz meint, die jedoch nicht wieder in den Rahmen eingefügt werden kann, sondern sich vielmehr nur als Inkommensurables bestimmen lässt. Hier bringt Lehmann Rancière vor allem mit theologischen Figuren auf Kollisionskurs und legt damit die Begrenztheiten des Rancière’schen Diskurses offen. Dominik Finkelde fokussiert seine Respondenz auf den von Lehmann attestierten fehlenden Transzendenzbezug in der politischen Theorie Rancières. Er zeigt auf, inwiefern ein politischer Aktivismus in diesem System der fehlenden Universalien nur in einer ewigen immanenten dialektischen Ausdifferenzierung der Geltungsansprüche und damit letztlich in einer ewigen Wiederkehr des Gleichen münden kann.
Arlette Farge diskutiert in ihren zwei Texten (übersetzt aus dem Französischen durch Richard Steurer-Boulard) die Wichtigkeit von Jacques Rancières Denken zum einen für ihre eigene Entwicklung als Historikerin, in weiterer Folge aber auch für die Geschichts- und Sozialwissenschaft als solcher. Ihre 1997 in Critique erschienene Rezension von Die Namen der Geschichte nimmt eine besondere Position ein, da sie die erste Rezension des Buches war und damit, wie Farge selbst sagt, ein nahezu "organisiertes Schweigen" in der Historikerzunft brach.
Im Interview mit Christian Sternad diskutiert Jacques Rancière die vielen Stationen seines historiographischen Werkes. Das Gespräch legt besonderen Wert auf die jeweiligen Abschnitte, die Genese innerhalb dieser Stationen und deren Verhältnis zueinander. Es gibt einen Einblick, wie Rancière heute, nach über 40 Jahren, seine frühen Anfänge im Bereich der Geschichtswissenschaft einschätzt.
Richard Steurer-Boulard, der Hauptübersetzer von Rancières Texten ins Deutsche, konzentriert sich in seinem Beitrag auf die komplexen Verflechtungen zwischen Geschichte und Literatur. Dabei möchte Steurer-Boulard weniger dieses Geflecht entwirren, als vielmehr eine Beschreibung des Verflechtungsmusters leisten. Das Hauptaugenmerk seiner Betrachtungen gilt Rancières Verhältnis zu einem philosophischen Transhistorismus, der sich sowohl in seinen Betrachtungen zur Geschichte als auch zur Literatur widerspiegelt. Steurer-Boulard folgt daher diesen komplexen Wechselwirkungen und zeigt auf, wie Geschichte nicht ohne Literatur und Literatur nicht ohne Geschichte verstanden werden kann. Albert Müller konzentriert sich in seinem Kommentar auf das Verhältnis zwischen Literatur und Geschichte, in welchem er Hayden White und Jacques Rancière systematisch ins Gespräch bringt. Während Hayden White sich auf die historiographischen Operationen eingelassen habe – mitsamt aller Kritik -, habe Rancière darauf gerade verzichtet und seine Kritik am historischen Establishment der 1950er bis 1980er Jahre zugunsten von (nicht explizierten) politischen Beweggründen geleistet.

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Ich möchte mich bei all jenen bedanken, die dieses Projekt und die zugrundeliegende Veranstaltung inhaltlich und organisatorisch begleitet und möglich gemacht haben. Insofern kommt dem IFK für die Gastfreundschaft und die Ausrichtung der Veranstaltung ein besonderer Dank zu. Direktor Helmut Lethen und sein stellvertretender Direktor Ingo Zechner haben das Projekt unterstützt und gefördert, Dagny Schreiner hat wertvolle Hilfe bei der Tagungsorganisation geleistet.
Das Österreichische Filmmuseum hat durch seine Kooperation im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Das Unsichtbare Kino: Film, Kunst, Geschichte und Museum" die Tagung und das Seminar erst ermöglicht. Hier danke ich vor allem dem Direktor Alexander Horwath und dessen Mitarbeiter/innen für die konzeptionelle Hilfe.
Das Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Gesellschaft und sein Direktor Siegfried Mattl haben die Tagungsorganisation bereitwillig unterstützt. Nur durch ihn sind diese fächerübergreifenden Netzwerke und alle Vermittlungen möglich gewesen. Ich danke an dieser Stelle auch dem tollen Team hinter Siegfried Mattl.

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Im Verlaufe dieses Buchprojekts ist Siegfried Mattl, mein Mitherausgeber, Freund und Mentor, am 25. April 2015 nach langer und schwerer Krankheit verstorben. Die Schockwellen dieses traurigen Ereignisses haben alle schwer getroffen und nicht zuletzt diesen Band durchzogen. Jacques Rancière und die Geschichte, Jacques Rancière und der Film – dies sind Themen, die Siegfried so sehr am Herzen gelegen sind, und insofern war klar, dass dieser Band unter allen Umständen als eine akademische Abschiedsgeste erscheinen musste. Siegfried und ich hatten damals den zugrundeliegenden Workshop als ein offenes Gespräch konzipiert – eine Herangehensweise, die in diesem Band unbedingt beibehalten werden sollte; zuletzt nicht nur aufgrund des Themas, sondern auch schon alleine deswegen, weil sie Siegfrieds Person so deutlich widerzuspiegeln im Stande ist. Seine warmherzige, willkommen-heißende und stets freundliche Art war der Grund, warum so viele Menschen verschiedenster thematischer, methodischer und disziplinärer Hintergründe zueinander gefunden haben. Durch seine Vermittlung hatten sich zuletzt immer alle etwas zu sagen und der Effekt war stets jener, dass alle etwas dazugelernt haben. "Lasst die Leute selber sprechen!", hat er immer gegen jede Form der Bevormundung gefordert. Ich selbst als Fachphilosoph habe Siegi vor vielen Jahren durch mein zusätzliches Studium der Geschichte kennengelernt. Eigentlich war es Zufall. Ich wusste nicht, wo ich mit meinen Arbeiten, die sich in theoretischen Grenzbereichen der Geschichtswissenschaft bewegten, hin sollte. Entgegen dem teils deutlichen Gegenwind der Historikerzunft hat sich zwischen uns von der ersten Sekunde an ein Dialog entwickelt, der immer neue Wege ging. In diesen Jahren des Gesprächs stand er all meinen akademischen Entwicklungsschritten mit großem Vertrauen bei. "Keine Affäre!", pflegte er bei allen Schwierigkeiten mit tiefer Ruhe zu sagen. Akademische Animositäten und Eitelkeiten waren ihm fremd. Immer wurde ein Weg gefunden und die gelegentliche Nervosität des akademischen Baus austariert, ohne dabei die eigene Richtung aus dem Auge zu verlieren – ein Doktorvater, wie man ihn sich wünscht. In seinen letzten Monaten zeichnete sich die Sorge ab, dass die gemeinsamen Gedanken und Projekte wohl immer mehr auf meinen Schultern lasten werden. Aus tiefer Dankbarkeit für den gemeinsamen Weg bleiben mir letztlich nur mehr die nun obdachlosen Worte: Keine Affäre, Siegi!.

 Christian Sternad (Leuven)

 

Anmerkungen

1 Jacques Rancière, Die Namen der Geschichte. Versuch einer Poetik des Wissens, Frankfurt am Main 1994, 89.

2 Jacques Rancière, Geschichte der Wörter, Wörter der Geschichte, in: ders., Und die Müden haben Pech gehabt! Interviews 1976-1999, Wien 2009, 96.

3 Ich beziehe mich hier vor allem auf Hayden White, Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa, Frankfurt am Main 1991. Siehe jedoch auch zwei damit in Verbindung stehende Werke: Hayden White, Die Bedeutung der Form. Erzählstrukturen in der Geschichtsschreibung, Frankfurt am Main 1990; ders., Auch Klio dichtet oder die Fiktion des Faktischen. Studien zur Tropologie des historischen Diskurses, Stuttgart 1991. Die englische Ausgabe zu Rancières Die Namen der Geschichte wird nebenbei bemerkt mit einem Vorwort von Hayden White eröffnet. Hayden White, Foreword: Rancière’s Revisionism, in: Jacques Rancière: The Names of History. On the Poetics of Knowledge, Minneapolis/London 1994, vii-xix. Vgl. auch das Interview in diesem Band.

4 Rancière unterscheidet vor allem in seinem theoretischen Hauptwerk Das Unvernehmen von 1995 einen herkömmlichen von einem emphatischen Begriff der Politik. Der herkömmliche Begriff der Politik meint eine Ordnung, welche durch ein bestimmtes Regelwerk gesichert ist, in welchem mittels legitimierten Praktiken und Techniken über die Verteilung und Distribution der Plätze verfügt wird. Der emphatische Begriff der Politik, die genuine Form der Politik sozusagen, bezeichnet gerade jenen Moment, in welchem die herkömmliche Ordnung ihren sicheren Griff verliert und die Wege und Möglichkeiten der bis dahin angewandten Distribution der Plätze, welche notwendigerweise mit dementsprechenden Befugnissen und Restriktionen einhergehen, neu verhandelt werden müssen. Vgl. hierzu Jacques Rancière, Das Unvernehmen. Politik und Philosophie, Frankfurt am Main 2002, 14-54.

5 Rancière, Namen, 147.

6 Vgl. ebd., 37.

7 Vgl. Paul Veyne, Geschichtsschreibung. Und was sie nicht ist, Frankfurt am Main 1990, 39.

8 Rancière, Namen, 89.

9 Alle Ausgaben sind im Volltext auf dieser Seite verfügbar: http://archivesautonomies.org/spip.php?article86 (Stand: 15. September 2015). Siehe auch die Darstellung von Mischa Suter, Ein Stachel in der Seite der Sozialgeschichte: Jacques Rancière und die Zeitschrift Les Révoltes logiques, in: Sozial.Geschichte Online 5 (2011), 8-37.

10 Jacques Rancière, Die Nacht der Proletarier. Archive des Arbeitertraums, Wien 2013.

11 Les Révoltes Logiques 1 (Winter 1975), Umschlaginnenseite.

12 L‘ Ane n°1 (1981), online unter: http://horlieu-editions.com/introuvables/les-revoltes-logiques/entre tien-l-ane.pdf (Stand: 15. September 2015).

13 Les Révoltes Logiques 1, 3.

14 Rancière, Nacht, 8.

15 Ebd., 17.

16 Jacques Rancière, Politik der Literatur, Wien 2011, 14.

17 Ich entlehne diesen sehr passenden Ausdruck den Ausführungen von Philip Watts, der von einer "hermeneutic oppression" spricht: Philip Watts, Heretical History and the Poetics of Knowledge, in: Jean-Philippe Deranty, Hg., Jacques Rancière, Key Concepts, Durham 2010, 104-115, hier 107.

18 Rancière, Geschichte, 96.

19 Rancière, Namen, 131.

20 Ebd., 131.

21 Ebd., 58.

22 Jacques Rancière, Politik der Schrift, in: Und die Müden haben Pech gehabt!, 73.

23 Rancière, Namen, 39.

24 Rancière, Geschichte, 88.

25 Sandra Lehmann, Die metaphysische Bewegung. Das Verhältnis von Philosophie und Politik: Rancière, Platon. Wien 2014.

 

 

Inhalte

Ruth Sonderegger
Die Herausforderung, (nicht) für andere zu sprechen. Was Jacques Rancière von Gayatri Spivak lernen könnte

Gabriella Hauch
Respondenz. Die Stimmen des Jacques Rancière — eine Gegen-Geschichte?

Oliver Marchart
Namen der Geschichte — Politik des Namens. Historische Benennungskraft und die politische Theorie des Postfundamentalismus (Rancière, Laclau, Agamben, Brossat)

Drehli Robnik
Respondenz. Politisches Film-Denken durchkreuzt Ästhetisierungsneigung. Anknüpfungen an Oliver Marcharts Vergleich der (Geschichts-)Politiken von Laclau und Rancière

Reinhard Sieder
Haben die „neuen“ Historiker das Subjekt liquidiert und die Geschichte verraten? Anmerkungen zu Jacques Rancières „Die Namen der Geschichte“

Christian Sternad
Respondenz. Die Geschichte im Medium der Literatur. Bemerkungen zum Ort von Jacques Rancières historiographischen Texten

Georg Kö
Eine Ästhetik der Unschärfe. Jacques Rancière und die Aufteilung des Sinnlichen zwischen Logos und Pathos

Karin Harrasser
Respondenz. Ohne Hände

Sandra Lehmann
Eine andere historische Subjektivierung. Überlegungen mit Jacques Rancière, Walter Benjamin und John Milbank

Dominik Finkelde
Respondenz. Negative Unendlichkeit

Arlette Farge
Die Geschichte als Ankunft

Camille Deslypper/Guy Dreux
Das Wort als Ereignis. Ein Gespräch mit Arlette Farge

Christian Sternad
The Silent Witnesses. Interview with Jacques Rancière

Richard Steurer-Boulard
Geschichte(n) erzählen. Zum Geflecht von Literatur und Geschichte bei Jacques Rancière

Albert Müller
Ein Kommentar zu Jacques Rancières und Hayden Whites Auffassungen über Literatur und Geschichte

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