Kurt Scharr

Die Karpaten

Balthasar Hacquet und das "vergessene" Gebirge in Europa

Die Karpaten zählen neben den Alpen zu den wichtigsten, zentral gelegenen Gebirgsformationen Europas. Während des 19. Jahrhunderts versuchte man zunehmend, sie für den Tourismus zu erschließen. Mit August 1914 fand diese Entwicklung jedoch ein jähes und lang andauerndes Ende. Der Karpatenbogen zerfiel in einzelne nationalstaatliche Teilsegmente: Tschechoslowakei, Polen, Sowjetunion, Rumänien und Ungarn. Die verschiedenen nationalen Minderheiten gerieten zum – sich vielfach nachteilig für die jeweils zahlenmäßig unterlegene Bevölkerungsgruppe auswirkenden – Diskussionsgegenstand der oftmals nationalistischen Tagespolitik junger Staaten auf der Suche nach ihrer Identität. In der Folge waren und sind die Beziehungen zwischen diesen Staaten nach 1945 bis in die Gegenwart oftmals von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Erst seit dem radikalen Systemwandel zwischen Dezember 1989 („Revolution“ in Rumänien) und August 1991 (dem gescheiterten Putschversuch der Kommunistischen Partei in Moskau) öffneten sich neue Perspektiven auf diese Länder Osteuropas. Und trotzdem, mehr als ein Jahrzehnt nach der weitgehend gewaltlosen Revolution in Europa fand die Wahrnehmung des Karpatenraumes aus westeuropäischer Sicht bisher nur sehr zögerlich und auf kleine Fachkreise beschränkt statt.


Es liegt also nahe, dem Karpatenraum mehr als bisher Aufmerksamkeit zu schenken, die über die einseitige Wahrnehmung – nicht zuletzt gefördert durch die Romane von Bram Stoker (Dracula, 1897) und Jules Verne (Das Karpatenschloss, 1892) sowie deren breitenwirksamen Verfilmungen – hinausgeht. Das gemeinschaftliche Wahrnehmen von Gebirgsräumen, ihrer Problemhaftigkeit und Bedeutung für die Zukunft sollte dadurch – ähnlich jenem der Weltmeere – eine weiter verbreitete Akzeptanz finden als bisher.


Die umfassend bearbeitete Neuausgabe von Balthasar Hacquets Reisebeschreibung der Karpaten, die bereits vor 200 Jahren erschienen ist, bietet dazu einen zentralen Anstoß!

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